Erleichterung nach 20 Jahren: Es gibt eine Diagnose!

Erleichterung nach 20 Jahren: Es gibt eine Diagnose!

Felicia betreibt einen Blog über ihre sehr seltene Erkrankung EDS, das Ehlers-Danlos-Syndrom. Sie möchte aufklären und anderen Betroffenen helfen.

Erleichterung nach 20 Jahren: Es gibt eine Diagnose!

Felicia Davis leidet an einer seltenen Erkrankung, dem sogenannten Ehlers-DanlosSyndrom (EDS). Auf die Diagnose mussten ihre Eltern und sie 20 Jahre lang warten. Obwohl ihr Leben durch die vererbbare Bindegewebserkrankung stark eingeschränkt ist, lässt sich die junge Frau nicht unterkriegen.  

Bereits im zarten Alter von drei Jahren traten die ersten Krankheitsanzeichen auf: „Im Kindergarten knickte ich dauernd mit dem Fuß um, stürzte häufig und hatte oft Knieschmerzen“, erinnert sich die junge Frau aus Rüsselsheim. Der Kinderarzt tat die Beschwerden als Wachstumsschmerzen ab.

In der Schule verschlimmerte sich ihr Zustand drastisch. Besonders belastend war der Sportunterricht, wo sie andauernd Bänderrisse und andere Verletzungen davontrug. Viele Ärzte hielten sie für eine Simulantin. Unzählige Arztbesuche und Therapieansätze zehrten an Felicias Kräften. Es folgten Jahre der Fehldiagnosen. Zwanzig Jahre lebte Felicia mit der Unwissenheit darüber, was mit ihrem Körper los ist. „Ich war sehr frustriert“, berichtet die heute 25-Jährige. Denn im Alltag fühlte und fühlt sie sich oft missverstanden, da EDS zu den sogenannten unsichtbaren Erkrankungen zählt. „Man sieht uns von außen nichts an. Das hat zur Folge, dass unsere Mitmenschen oft fälschlicherweise über uns urteilen.“

Chronische Gelenkschmerzen sind der Alltag

Unter Ehlers-Danlos-Syndrom versteht man diverse vererbbare Störungen im Bindegewebe von unterschiedlicher Schwere. Im schlimmsten Fall verläuft die Krankheit tödlich.Im Jahr 2016 hatte Felicia so schlimme Rücken- und Gelenkschmerzen, dass sie es kaum noch aushielt: „Es fühlte sich an, als würde meine Wirbelsäule brechen“, berichtet sie. Neben vielen weiteren unspezifischen Beschwerden kam eine Störung des autonomen Nervensystems hinzu, die mit einem massiven Anstieg der Herzfrequenz verbunden war. „Mir wurde andauernd schwarz vor Augen und ich kippte um“, erzählt Felicia. Aufgrund des hohen Adrenalinspiegels in ihrem Körper war auch ihr Schlaf massiv beeinträchtigt.

Damals äußerte ihre Hausärztin zum ersten Mal den alles verändernden Verdacht auf das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), mit dem sie bei einer anderen Patientin bereits Erfahrungen gesammelt hatte.

Endlich die Diagnose: Ehlers-Danlos-Syndrom

Nach der Überweisung in eine Frankfurter Klinik durch eine Humangenetikerin wurde die Verdachtsdiagnose der Hausärztin klinisch bestätigt. Endlich wussten Felicia und ihre Familie, was ihrem Körper fehlte. Und das bedeutete auch, dass sie sich endlich nachhaltig um Linderung ihrer Beschwerden kümmern konnte. Denn heilbar ist die Krankheit nicht.

„Bei den Ehlers-Danlos Syndromen handelt es sich um eine Gruppe von seltenen Bindegewebsstörungen, die vererbt werden können.  Aktuell werden 13 Unterformen des EDS klassifiziert. Auf jeden EDS-Subtyp treffen eine Reihe klinischer Kriterien zu, die die Diagnose erleichtern. Patienten mit EDS fallen oft durch eine überdehnbare Haut, brüchiges Gewebe sowie überstreckbare Gelenke auf. Betroffen sind jedoch auch Gefäße, Muskeln, Bänder, Sehnen, innere Organe, das autonome Nervensystem und sogar der Stoffwechsel,” sagt Dr. Andrea Maier. Sie ist Fachärztin für Neurologie sowie Oberärztin des Medizinischen Zentrums für Erwachsene mit geistiger Behinderung und/oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) und der Autonomen Nervensystem (ANS) Ambulanz am Klinikum Aachen. Sie weiß auch: “Da sich Bindegewebe fast überall befindet, betrifft die Erkrankung den ganzen Körper, und die Symptome können entsprechend vielfältig sein.“

In Felicias Fall diagnostizierten die Ärzte den sogenannten hypermobilen Typ des Ehlers-Danlos-Syndroms. Typisch für ich ist unter anderem die ausgeprägte Überbeweglichkeit der Gelenke, die sich in Form von Luxationen, also dem Ausrenken von zum Beispiel Schulter oder Ellbogen äußern kann. „Die Diagnose war eine große Erleichterung für meine Familie und mich“, erzählt sie. „Endlich konnte ich meine Beschwerden einordnen und wusste, dass sie alle zusammenhängen. Das machte es mir viel leichter, mit der Erkrankung umzugehen.“

Bindegewebserkrankung mit rätselhaften Symptomen

Patienten mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom fallen oft durch eine überdehnbare Haut, brüchiges Gewebe sowie überstreckbare Gelenke auf. Betroffen sind jedoch auch Gefäße, Muskeln, Bänder, Sehnen, innere Organe und sogar der Stoffwechsel. Bei manchen Formen der Erkrankung geht man als Ursache von einer genetisch bedingten Störung im Bindegewebe aus. Das Ehlers-Danlos-Syndrom gilt als seltene Krankheit.Da sich Bindegewebe fast überall befindet, betrifft die Erkrankung den ganzen Körper und ihre Symptome können entsprechend vielfältig sein.

Oft dauert es bei vorliegendem EDS Jahre, bis Ärzte die Diagnose aus den Einzelsymptomen richtig zusammengesetzt haben. Denn so individuell wie die Patienten sind, so unterschiedlich äußert sich die Krankheit bei den Betroffenen. Heilbar ist das Ehlers-Danlos-Syndrom zudem nicht. Die Therapie ist daher hauptsächlich auf die Vorbeugung und Behandlung der Krankheitssymptome ausgerichtet. Zum Beispiel kann gezielte Physiotherapie zur Unterstützung von Muskeln und Gelenken vielen Betroffenen Linderung verschaffen.

Keine Nacht ohne Heizkissen

Felicia nimmt täglich eine Vielzahl von Medikamenten ein, besucht aufgrund ihrer Gelenkschmerzen regelmäßig eine Physiotherapeutin und geht nie ohne ihr Heizkissen ins Bett. „Mein Organismus kann die Körpertemperatur nicht richtig regulieren“, erklärt sie. „Das hat zur Folge, dass ich im Liegen immer friere.“ Beinorthese und Halskrause sind ihre ständigen Begleiter im Alltag, um die Gelenke zu stabilisieren.

Trotz permanenter Beeinträchtigungen und Schwierigkeiten im Alltag strahlt Felicia Lebensfreude und Zuversicht aus. Sie versucht, ein weitgehend normales Leben zu führen. „Ich nutze meine Zeit, um mich persönlich weiterzuentwickeln, bin als Sozialpädagogin für einen Frauenverein tätig, der sich gegen häusliche Gewalt einsetzt.“ Die engagierte junge Frau hat es sogar geschafft, ein Fernstudium in Sozialer Arbeit abzuschließen. Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Justin und ihrem Schäferhundmischling Bella genießt sie ihr Leben, reist viel durch die Welt, trifft sich mit Freunden und geht gerne ins Kino.

Und auch anderen Patienten mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom möchte Felicia helfen: bei der Diagnose, bei der Aufklärung der Gesellschaft und beim Austausch untereinander. 2019 gründete Sie darum ihren eigenen Blog, um die Bindegewebserkrankung bekannter und anderen Betroffenen Mut zu machen. „Täglich lesen etwa 80 Menschen meine Beiträge, und ich habe etliche Kontaktanfragen“, erzählt sie voller Stolz. Ein Ärzteteam unterstützt sie bei ihrer Arbeit und bei der Bereitstellung wissenschaftlicher Berichte.

Mehr Reichweite für EDS-Betroffene

Das Schicksal von Felicia ist typisch für Menschen, die an einer seltenen Erkrankung leiden. Ärzte und Kliniken sind oft überfordert, weil sie so einen Fall noch nie gesehen haben. Daher vergehen oft Jahre oder wie in Felicias Fall sogar Jahrzehnte, bis endlich die richtige Diagnose gestellt wird. Felicias großer Wunsch ist es, dass es langfristig in Deutschland mehr Ärzte gibt, die sich mit der Erkrankung auskennen und auf diese Weise eine bessere medizinische Versorgung möglich wird.

Ihr Rat an andere Betroffene: „Entscheide dich fürs Leben und lass dich nicht einschüchtern. Bleib optimistisch und gib dich niemals auf!“

Nach oben