„Mein Gehirn hat meine linke Seite vergessen.“
Als junger Mann erlitt Gunnar einen schweren Schlaganfall und ist seitdem halbseitig gelähmt. Doch als Leiter einer Selbsthilfegruppe macht er heute anderen Betroffenen Mut.
Mit 24 plötzlich behindert
Von einem Tag auf den anderen war alles anders. Gunnar ist gerade einmal 24 Jahre alt, als ihn ein schwerer Schlaganfall aus dem Leben reißt. „Seitdem hat mein Gehirn meine linke Körperseite vergessen“, erzählt der ehemalige Sozialarbeiter aus Leopoldshagen. Schon den ganzen Tag quälten ihn starke Kopfschmerzen. Dann fiel er plötzlich in Ohnmacht. Wie sich später herausstellte, war ein Aneurysma – eine Gefäßaussackung – der Grund für seinen Schlaganfall. Eine Arterie in seinem Kopf war geplatzt.
Eine lebensverändernde Verletzung
Gunnar hatte davon nichts gemerkt. Daher konnten die Ärzte nicht schnell genug reagieren. Als er nach einer Notoperation zwei Wochen später aus dem Koma erwachte, beschwerte er sich in der anschließenden Frührehabilitation, dass es nur Kinderportionen zum Essen gab. Die Krankenpflegerin deutete die Symptome richtig. Sein Gesichtsfeld war eingeschränkt, er sah und aß nur das Essen auf der rechten Tellerseite.
Neglect-Syndrom nennen Mediziner diese neurologische Störung, bei der Betroffene die Sinneseindrücke einer Körperseite vernachlässigen. Seit seinem Schlaganfall leidet Gunnar an einer linksseitigen spastischen Lähmung, diversen neurologischen und kognitiven Einschränkungen sowie an einer Gesichtsfeldeinschränkung.
Trotz Lähmung selbständig und mobil
Die Folgen des Schlaganfalls werden Gunnar ein Leben lang begleiten. Doch aufgeben kam für den lebensfrohen Mann aus Mecklenburg-Vorpommern nie in Frage. Mit einer Vielzahl an Therapien mit teilweise bis zu 45 Anwendungen pro Woche und beeinduckender Disziplin schaffte er den Weg zurück in ein – wenn auch eingeschränktes – selbstbestimmtes Leben. „Meine größte Behinderung ist, dass ich auf dem Land lebe und kein Auto fahren darf”, sagt er.
Seit 2010 erkämpft Gunnar sich mit einem Trike – einem speziellen Dreirad – seine Mobilität zurück. Trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung legt er damit täglich teils große Strecken von bis zu 55 Kilometern zurück.
Gegen soziale Isolation und Vereinsamung
„Ich habe es geschafft, aus einer depressiven Phase heraus zu kommen und mir ein glückliches Leben aufzubauen“, berichtet der heute 42-Jährige. Seit 2005 begleitet er andere Betroffene in der von ihm mitgegründeten „Selbsthilfegruppe für Schlaganfall-Betroffene und Angehörige Torgelow“ (SHG Torgelow), deren Leiter und Gruppensprecher er bis heute ist. „Das größte Ziel ist es, unsere Mitglieder vor sozialer Isolation und Vereinsamung zu schützen, denn genau dieses Thema betrifft sehr viele Schlaganfall-Betroffene“, weiß Gunnar.
Preisträger der Marion & Bernd Wegener Stiftung
Für ihr herausragendes Engagement wurde die Selbsthilfegruppe vor einigen Wochen mit dem Förderpreis für Selbsthilfegruppen der Marion & Bernd Wegener Stiftung ausgezeichnet. Zu den Preisträgern gehören auch die „Selbsthilfegruppe Stroke Families e.V.“ sowie die „Selbsthilfegruppe Schlaganfall-Wk e.V. fürs Bergische Land“.
Der Förderpreis wird alljährlich in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und der Landeshauptstadt Wiesbaden verliehen. Die Marion & Bernd Wegener Stiftung und die DGIM stellen die Preisgelder von insgesamt 8.000 Euro zur Verfügung.
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