
Ein Geschenk für Amelie: Neue Therapien bei SMA
Noch bis vor einigen Jahren gab es für Amelies Erkrankung überhaupt keine Therapie. Heute lässt sich zumindest das Fortschreiten von SMA, auch: Spinale Muskelatrophie, dank neuer Medikamente verlangsamen oder sogar verhindern. Für die 26-jährige* angehende Architektin sind die neuen Therapien ein Geschenk.
„Als ich anfing, Laufen zu lernen, hat meine Mama gemerkt, dass bei mir irgendwas nicht stimmt. Da war ich ungefähr anderthalb,“ erzählt Amelie vom Beginn ihrer Erkrankung. „Ich habe noch eine große Schwester und deshalb wusste meine Mama einfach, wie ein Kind laufen lernt, und bei mir war es so, dass ich zwar gelaufen, aber dann nach ein paar Schritten einfach zusammengeklappt bin.“
SMA, auch als Muskelschwund bekannt, ist nicht einfach zu diagnostizieren. Oft dauert es einige Zeit. Amelies Familie erhielt sie dank guter Ärzte nach nur einem halben Jahr und war geschockt, denn zum damaligen Zeitpunkt gab es noch keine wirksame Therapie. Es schien absolut und unwiderruflich, dass Amelies SMA Typ III und der mit ihr einhergehende stetige Muskelabbau sich nicht aufhalten lassen würden. Und tatsächlich: Amelie braucht im Laufe der Zeit immer mehr Unterstützung schließlich sogar einen Rollstuhl. Das prägt sie natürlich: „Seit ich 12 Jahre alt bin, wollte ich Architektin werden. Im Studium habe ich gemerkt: als Architektin kann man ganz schön viel im Thema Barrierefreiheit reißen und darauf aufmerksam machen.“ Doch ob sie ihren Traumberuf jemals würde ausüben können, stand lang in den Sternen.
Oft geht es irgendwie mit Sonderlösungen
Auch wenn Amelie nur langsam an Muskelkraft verlor, verlief die Erkrankung eben doch fortschreitend und gipfelte darin, dass bei dem damals nur 14 Jahre alten Mädchen die Wirbelsäule versteift werden musste. „Das war natürlich ein ganz krasser Einbruch, weil ich wochenlang im Bett liegen musste. Da habe ich schon sehr viel Muskelkraft und dadurch natürlich auch Selbstständigkeit verloren“, erinnert sich Amelie. In der Folgezeit musste sie neu lernen, sich zu bewegen und sich an eine neue Körperhaltung gewöhnen. Doch sie gibt nicht auf und findet immer einen Weg, auch mit Einschränkungen ihren Hobbies weiter nachzugehen. „Nach der Wirbelsäulen-Operation konnte ich zum Beispiel nicht mehr Waldhorn spielen, weil ich die Armmuskulatur dafür nicht mehr hatte. Dann haben wir halt geschaut: wie kriegt man es hin?“ Seither nutzt Amelie für das Horn einen Ständer, um ihre Arme zu entlasten. Auch Autofahren kann sie mittels zweier Joysticks zum Lenken und Gasgeben.
“Ich musste meinen Arzt regelrecht überzeugen”
Mit Kampfgeist und positiver Einstellung erfüllte sich Amelie inzwischen ihren Berufswunsch: Nach abgeschlossenem Architekturstudium ist sie als Architektin ins Berufsleben gestartet. Und auch bei der Anpassung ihrer SMA-Therapie kamen Amelie ihre Eigenschaften zugute. Seit wenigen Jahren sind erstmals wirksame Medikamente verfügbar, die das Fortschreiten der Muskelschwäche positiv beeinflussen können. Heute sagt Amelie: „Seit Beginn der Therapie merke ich eigentlich überhaupt gar keine Verschlechterung mehr. Das ist natürlich ein Wahnsinnsgeschenk!“ Doch kämpfen musste sie dafür auch. „Ich musste meinen Arzt regelrecht überzeugen, das Medikament zu wechseln“, erzählt sie lachend.
Mehr Selbstständigkeit und damit mehr Lebensqualität
Durch die Behandlung konnte sie sich sogar etwas Selbstständigkeit und damit mehr Lebensqualität zurückerobern: „Ich habe deutlich mehr Ausdauer und kann beispielsweise länger schreiben und tippen“, erzählt sie. Ihr Arbeitgeber ist auf barrierefreie Lösungen spezialisiert. Dass man auch mit Einschränkungen seinen Weg gehen kann und es dabei wichtig ist, sich nicht von der gängigen Vorstellung von normal beirren zu lassen, möchte Amelie anderen Betroffenen mitgeben.
Auf ihrem Instagram-Kanal hat sie die Bezeichnung anders normal gefunden: „Weil ich glaube, normal ist einfach, wenn du deinen Weg gehst, mit allen Voraussetzungen, Einschränkungen und Fähigkeiten.“ Über die sozialen Medien tauscht sie sich auch mit anderen Betroffenen aus. Das geht beispielsweise auch über das Patientenprogramm FaceSMA.
#MeinNormal mit SMA
Dort erhalten Betroffene umfangreiche Informationen. Amelie ist Teil der Community und unterstützt zusätzlich die Kampagne Dein Leben – Jeden Tag anders. Deine Therapie – Jeden Tag wirksam, die auf Aufklärung über die seltene Erkrankung und ihre Therapieoptionen setzt und die Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen stärken will. Denn ganz nach dem Motto #MeinNormal, will Amelie anderen Betroffenen vermitteln, dass diese auch mit Einschränkungen ihren Weg gehen und selbstbestimmt leben können.
Trotz bleibender Einschränkungen und Unterstützungsbedarf hat Amelie schon das nächste Ziel vor Augen, eine eigene Wohnung: „Das ist mein großer Wunsch, flügge zu werden und auszuziehen.“
*Stand 2024
Bildmaterial: Privat Amelie
Weitere Infos: Spinale Muskelatrophien erklärt, Amelies Instagram-Account

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